TD hat Klasse!

"Schauspieler sein? – Gott sei Dank wenigstens als Mann."

Dass dieser Mann Klasse hat, ist nicht auf den ersten, oberflächlichen Blick sichtbar. Er trägt es auch nicht vor sich her. Nachdem das aber mal geklärt ist, nimmt er ordentlich Fahrt auf. Und dann brilliert er.
Ein Interview von TK
 

 
Er hat diese wunderbare Mischung aus Melancholie und Schalk im Gesicht


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CONTACT _Con-43DF348F1 \c \s \l Thomas Darchinger, 41, ist einer der vielseitigsten Schauspieler in Deutschland. Er wuchs am oberbayerischen Ammersee auf und wurde am Münchner "Pathos Transport Theater" zum Schauspieler ausgebildet, wo er seine ersten auch internationalen Erfolge feierte. Zum ersten Mal im TV zu sehen war er als "Maxi Grandauer" in der Preis gekrönten Historienserie "Die Löwengrube", die ihm gleich neben den anderen Hauptdarstellern den Adolf-Grimme-Preis einbrachte. Doch der große Durchbruch im Kino blieb zunächst aus. Zu stark war damals seine Verbundenheit zum Theater. Jetzt drehte er sein erste internationale Kinorolle in dem Kriegsdrama "Joy Division" von Reg Traviss.
Er lebt wieder in München, der Stadt in der auch seine Tochter Isabella (11) groß wird.




» In bin ästhetisch geprägt «




TK
: Herr Darchinger, fühlen Sie sich geistig fit genug für ein Gespräch, in dem es um Klasse geht?

Darchinger : Wir werden sehen, ob das überhaupt von der Tagesform abhängig ist.


TK: Sind sie skeptisch?

Darchinger : Wir müssen ja nicht von mir reden. Zum Einstieg könnten wir als Beispiel eine Persönlichkeit nehmen, bei der klar ist, dass sie definitiv Klasse hatte.


TK: Sehr gern.

Darchinger : Ich schlage Marcello Mastroianni vor, weil ich mich gerade mit ihm beschäftigt habe. Einverstanden?


TK: Absolut.



Darchinger
: Ich glaube ich weiß auch, weshalb er Klasse hatte: Weil er im Filmzirkus seine geistige Unabhängigkeit bewahrt hat. Diese Unabhängigkeit konnte ihm keiner abkaufen. Es war durchaus nicht so, dass er immer der Star war, den wir heute in Erinnerung haben. Aber auch als keiner eine Lira auf ihn gesetzt hat, war er nicht zu verbiegen. Er hat sich immer unabhängig von Strömungen entschieden, was er macht.

TK: Dann fragen wir doch mal ganz direkt: Haben Sie Klasse?

Darchinger : Also ehrlich, auf diese Frage kann man nicht antworten. Das ist eine Fangfrage.


TK: Warum?

Darchinger : Jemand, der öffentlich von sich selbst behauptet, dass er Klasse habe, hat schon mal ganz sicher keine. Klasse ist etwas, das einem nur von anderen zugeschrieben werden kann.


TK: Ich könnte Ihnen Klasse zuschreiben.

Darchinger : Mmh, ja, . . . das könnten Sie.


TK: Hiermit geschehen.

Darchinger : Danke. Jetzt kommt es allerdings darauf an, mit welchem Hintergedanken Sie sprechen. Wenn Sie vielleicht nur höflich sein wollen, bedeutet es gar nichts.


TK: Nun gut, ich führe Indizien an. Am Theater waren Sie bis in New York. Der amerikanische Theaterregisseur Roy Faudree hat in ganz Europa nach einem Schauspieler gesucht, der einen Klassemann wie Marcello Mastroianni in seinem Stück "Scratch" verkörpern konnte. Er fand: Sie.

Darchinger : Das könnte auch eine Notlösung gewesen sein. Vielleicht drängte die Zeit, schließlich wollte er das Stück unbedingt machen, und der junge Marcello Mastroianni musste darin vorkommen.


TK: Der Regisseur Rainer Wolffhardt suchte ein halbes Jahr nach einem jungen Schauspieler für seinen "Maxi Grandauer" in der Löwengrube. Damals fand er Sie, einen Theaterschauspieler, der noch nie vor der Kamera gestanden war.

Darchinger : Bei der Rolle in „Maxi Grandauer“ dachte ich wirklich, dass mich das total überfordern würde. Die ersten Folgen der Serie waren ja schon mit riesigem Erfolg gelaufen, alle Kritiker überschlugen sich, und da war ich nun plötzlich dabei, ohne jede Ahnung darüber, wie man einen Film dreht. Das einzige das mir geholfen hat, war dass mir die Kriegszeit durch die zahllosen Geschichten meines Großvaters sehr vertraut vorkam. Aber da war der Sender, der mir die Rolle zunächst nicht zugetraut hatte, deren Atemzug habe ich ständig im Nacken gespürt.
Die fanden auch meinen Werdegang suspekt. Die Art von Theater, die wir gemacht haben, das war denen viel zu wenig volkstümlich. Wir galten ja als deutsche Avantgarde damals. Das passte nicht zu der bürgerlichen Gediegenheit des Senders.

TK: Auch eine Definition von Klasse: Man hat sie gewissermaßen von Geburt an, weil man zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht gehört.

Darchinger : Als Schauspieler gehört man ja per se zu keiner Gesellschaftsschicht, man ist in jeder nur Zaungast. Der Glamour unserer Welt wird von jeder Schicht gerne miterlebt, aber wir bleiben immer wieder suspekt, weil wir nicht den gewöhnlichen Mustern folgen. Ein Schauspielstar in Deutschland muß ja nicht gleichzeitig auch reich sein, zumal wir auf Grund unserer Persönlichkeitsstruktur ziemlich schlecht mit Geld umgehen. Da bleibt die Angst ums Tafelsilber schon bestehen. Und den unteren Schichten sind wir natürlich suspekt, weil wir mit den Bossen scheinbar gemeinsame Sache machen.



TK: Wird das anders, wenn man plötzlich mit internationalem Kino in Berührung kommt?

Darchinger : Grundsätzlich erst einmal nicht. Der Spagat wird nur noch spektakulärer. Der Neid wird größer, auch die Bewunderung, aber auch die Skepsis: und wieso haben die ausgerechnet Dich besetzt, Du bist doch gar kein Star in Deutschland?
Man selbst läuft natürlich auch Gefahr, sich von dem riesigen Aufwand blenden zu lassen, der in einer solchen Produktion betrieben wird und die unsere deutschen Filme wie Übungsfilmchen erscheinen lassen, wenn man alleine die Budgets vergleicht und die damit verbundene Materialschlacht.
Plötzlich sitzt man mit Weltstars am Tisch und man wird morgens von einer Produktionsassistentin gefragt, ob am Abend wieder die Thaimasseurin in die Suite kommen soll. Das hinterlässt schon Spuren. Das muss man ganz schnell abschütteln. Was zählt sind die Geschichten und die filmische Qualität. Das lässt sich auch in ganz kleinen Dimensionen herstellen, wie ich es auch zuletzt in Hamburg erlebt habe, bei einem Independent Film von Thomas Stiller. Aber keine Frage, die Luft da Oben in der internationalen Szene schmeckt anders.

TK: Das Kino, und insbesondere Hollywood verkauft doch genau diesen Traum: Jeder kann alles werden, Star oder Millionär. Aber dann gibt es doch wieder sehr subtile, unsichtbare Klassengrenzen: Wer hat wirklich Macht, wer tut nur so, wer muss wen zurückrufen, wer wird in die Warteschleife geschickt. Wie haben Sie dieses System erlebt?

Darchinger : Also, ich glaube, diese Grenzen haben mit Geschäftssinn zu tun, nicht mit Klasse. Klasse hat man ja unabhängig von gewissen Umständen, da folge ich eher dem aristokratischen Modell. Wenn ich also ein heißer Jungstar in Hollywood bin, und plötzlich interessiert sich keiner mehr für mich – dann habe ich nichts mehr. Genauso wie ein Reicher, der sein Geld verloren hat. Klasse dagegen hat man, egal wie viel Geld man gerade hat, und egal wie heiß man gerade gehandelt wird. Vielleicht ist das sogar ein Zeichen von Klasse: Dass man diese äußerlichen Dinge nicht wichtig nimmt.


TK: Sehen Sie da eine Gefahr für sich selbst?

Darchinger : Im Moment sehe ich nicht, dass etwas in dieser Richtung überhaupt auf mich zukommen könnte. Außer einem sehr losen Angebot aus Hollywood, das ich im Moment noch nicht weiter ernst nehme, sprechen wir hier im theoretischen Raum. Ich denke, Hollywood ist eine riesige Maschine. Sie ist für einen in Ordnung, so lange man arbeitet und die Arbeit in den Vordergrund stellt. Dann kann man tolle neue Dinge erleben und die unglaublichsten Erfahrungen machen. Sobald es um Ruhm geht, wird es gefährlich. Ruhm riecht streng und fühlt sich im Handumdrehen modrig an.


TK: Wer Klasse hat, das erkennt man auch an der Fähigkeit, peinliche Schlagzeilen zu vermeiden. Da stehen Sie bisher ziemlich gut da, finden Sie nicht?

Darchinger : Also ich sehe nicht, warum man in dieser Hinsicht groß über mich schreiben sollte.
Spiele ich überhaupt in der Liga für peinliche Schlagzeilen? Ich spüre keinen Reiz darin, mein Privatleben offensiv zur Schau zu stellen um dadurch in die Presse zu kommen. Ich mache Filme. Mehr nicht. Mein Leben ist ansonsten relativ normal. Da wird ja auch gerne von allen Seiten etwas verwechselt. Um aufregende Rollen spielen zu können, muß man nicht selbst aufregend sein. Meistens ist das sogar eher hinderlich.
Aber Sie haben Recht, mein Leben gibt für die Klatschpresse wenig her.


TK: Aber es muss doch einen Trick geben, wie man Klasse beweist.

Darchinger : Ich weiß nicht genau, was Sie meinen.


TK: Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Viele Kollegen von Ihnen treten ins Rampenlicht und manche machen da grauenhafte Fehler. Stillos bis peinlich, gerne auch ohne Rücksicht auf die eigene Würde.

Darchinger : Da möchte ich mich nicht darüber erheben. Absolut nicht!

TK: Aber man kann sagen, ein Art innerer Kompass hält Sie davon ab.

Darchinger : Vielleicht ist die Erklärung einfach: In bin ein sehr ästhetisch orientierter Mensch, ich denke in Stilfragen. Wobei ich es dabei als Wichtigstes empfinde, einen persönlichen Stil zu entwickeln, der sich zwar gewisser Regeln bedient, diese aber auch zwanglos bricht. (Er beginnt, alle Gegenstände auf dem Tisch parallel zu den Kanten auszurichten). Sehen Sie, so sieht das doch schon besser aus. Ich muss ständig arrangierend in meine Umgebung eingreifen, es geht nicht anders. Am liebsten diskutiere ich mit den Regisseuren über Szenen, in denen ich selbst nicht vorkomme. Oder Architektur, das interessiert mich sehr: Architekten sind DIE Künstler der Neuzeit. Davon habe ich ein gutes Stück in mein Leben hineingenommen.


TK: Inwiefern?

Darchinger : Ich bin von Design besessen, allerdings im strengen Sinn. Ich mag Räume, in denen nichts ist. Die perfekte Leere. Meine letzte Lebensgefährtin musste mich eine Weile bearbeiten, bis ich einwilligte, dass wir ein Sofa brauchen. Dann habe ich mich eine ganze Zeit lang umgesehen und schließlich ein Sofa gefunden. Es hat einige Monate gedauert, aber jetzt habe ich die Sofafrage gelöst. Schluss, aus, vorbei. Ich werde nie wieder ein anderes Sofa benötigen. Was rede ich da? Wieso rede ich jetzt über das Sofa? Wo waren wir stehen geblieben?


TK: Darum geht es doch. Klasse kann sich überall zeigen. Ich hätte noch eine Bitte.

Darchinger : Nur zu!


TK: Falls Sie demnächst einmal wieder einen Preis bekommen sollten. Dazu könnten Sie jetzt vielleicht etwas sagen. Stellen Sie sich einfach vor, Sie hätten den deutschen Filmpreis bereits in der Tasche.

Darchinger : Also, ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich gute wäre. Die Erfahrung zeigt ja, dass man paradoxerweise nach so einem Preis längere Zeit keine Angebote mehr bekommt. Und ich arbeite dafür einfach zu gerne. Aber meinetwegen (er lacht): Ich fühle mich großartig! Die Konkurrenz in meiner Kategorie war mörderisch, und ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich all diese Superschauspieler wirklich geschlagen habe. Was für ein Abend!


TK: Sehr gut. Vielen Dank.

Darchinger : Sollte ich nicht auch noch etwas sagen für den Fall, dass ich verliere?

TK: Nicht nötig, Herr Darchinger. Ich danke sehr für das Gespräch.


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